Zum Verwildern geeignet: Blumenzwiebeln

Zum Verwildern geeignet: Blumenzwiebeln

Spiree (Spirea), Weigelie (Weigela) und Forsythie (Forsythia) bilden die Hecke, Kirschbaum und Zwetschge beschatten den Komposthaufen. Gras gedeiht darunter eher schlecht als recht. Im Frühjahr ist dieser Übergang zum Nachbarn noch ein vergleichsweise kahles Eck. Bis die Erde in zarten Rissen aufbricht und sich Winterlinge (Eranthis), Krokusse (Crocus) und Narzissen (Narcissus) für einige Wochen nacheinander die „Klinke in die Hand geben“:

 

Vorbild Parkanlage

Eine Ecke im Garten, die einen Großteil im Jahr wenig Beachtung findet und noch weniger Mühe macht, protzt für wenige Wochen mit den leuchtenden Farben der Zwiebelblumen. Dabei werden es Jahr für Jahr mehr, denn diese Ecke gehört Arten und Sorten, die willig verwildern, das heißt sich über Brutzwiebeln oder Samen vermehren und ausbreiten.

Diese Blütenmeere im Kleinen haben bedeutende Vorbilder, beispielsweise den Schlosspark im schleswig-holsteinischen Husum, in dem alljährlich – zumeist im März (in 2010 war es erst im April) – Hunderttausende Krokusse die Fläche unter den Parkbäumen in üppiges Blau tauchen. Auch Stadtgärtner nutzen den Reiz der „versenkten“, alleine zurechtkommenden Frühjahrsblüher, um mit anbrechendem Frühjahr ganz ohne Arbeit ein reizendes Bild für ihre Stadt zu entwerfen.

Buschwindröschen und TraubenhyazinthenFoto: Goss/Bayerische Gartenakademie Eine hübsche Kombination bilden Buschwindröschen und Trau­ben­hya­zin­then. Beide verwildern gut. Das geht auch im Garten, vorausgesetzt man verfährt ähnlich wie Park- und Stadtgärtner und wählt für diese Zwiebelblumen Standorte unter Laubbäumen und -sträuchern oder auf Freiflächen, die kaum bearbeitet werden (müssen) und einen locker-humosen Boden haben.

 

Welkeprozess erfordert Geduld

Rasen, oder besser gesagt Wiese, stört nicht, wichtig ist nur, dass nicht gemäht werden muss, bis das Laub der Blu­men­zwie­beln nach der Blüte völlig verwelkt ist. Man spricht davon, dass die Zwiebel „eingezogen“ hat, was bedeutet sie hat die Photosynthese beendet, mit deren Hilfe sie in der Zwiebel – dem Spei­cher­or­gan – Nährstoffe einlagert, die den nächsten Blüten im kommenden Frühjahr mit neuem Schwung und bunter Vielfalt wieder ans Licht helfen.

Dieser Welkeprozess, mit dem die Zwiebel anzeigt, wie weit ihr Ein­la­ge­rungs­pro­zess fortgeschritten ist, ist wenig dekorativ, das Laub hängt schlapp und später strohig auf der Wiese herum. Doch da müssen Hobbygärtner durch!

 

Graben verboten

Doch längst nicht alle Blumenzwiebeln eignen sich zum Verwildern, längst nicht jeder Standort erfüllt die Voraussetzungen. Wichtigster Standortfaktor ist ganz klar die fehlende Bodenarbeit. Wer schon einmal ein Staudenbeet, in dem auch Blumenzwiebeln stehen, im Herbst umgegraben oder dort Stauden geteilt oder umgepflanzt hat, weiß: Immer wieder gräbt man Blumenzwiebeln hoch, oder – schlimmer noch – zersticht sie aus Versehen mit dem Spaten.

 

Licht ist wichtig

Narcissus ‘Tête à Tête’Foto: Themenbild Narcissus ‘Tête à Tête’ ist die Nar­zis­sen­sor­te, die am willigsten verwildert Außerdem mögen es viele Arten und Sorten doch nicht, „nur“ im Schatten wachsen zu müssen, beispielsweise unter Nadelgehölzen. Die meisten Frühjahrsgeophyten sind darauf gepolt, im Licht der noch blattlosen Laub­bäu­me und -sträucher zu gedeihen. Ausreichendes Licht verspricht reichlich Photosynthese, starke Zwiebeln und damit Blüh­freu­de für das nächste Jahr.

Für einige Zwiebelblumen wurden an Universitäten entsprechende Lang­le­big­keits­tests in Form von Sichtungstests durch­ge­führt, bei denen unter anderem die Schat­ten­ver­träg­lich­keit ermittelt wurde. Dem Handel stehen dadurch heute relativ verlässliche Angaben darüber zur Verfügung, welche Arten und Sorten willig verwildern, an Sonnenstandorten und an Schattenstandorten.

 

Pflanzzeit beginnt jetzt

Doch von nichts kommt auch hier nichts, irgendwann muss ein Grundstein – will heißen ein Grundbestand an Blumenzwiebeln zum Verwildern – gelegt werden. Nur wer ab September pflanzt, kann im Frühjahr genießen.

Gitta Stahl

 

„Mit ein bis zwei Arten in ausreichender Menge starten“

Welche Arten und Sorten für das Verwildern funktionieren, worauf bei der Pflanzung zu achten ist und wie die Blühfreude erhalten werden kann, darüber sprach unsere Redakteurin Gitta Stahl mit Dieter Gaissmayer, Inhaber einer Staudengärtnerei in Illertissen.

Wann genau spricht man denn eigentlich vom Verwildern von Blu­men­zwie­beln?
Wenn ich – wie beispielsweise in dem bereits angesprochenen Sichtungstest – 45 Zwiebeln einer Sorte setze, dann erwarte ich im ersten Jahr zumindest pro Zwiebel eine Blüte. Bleibt es in den folgenden Jahren bei der gleichen An­zahl Blüten, so spricht man von konstant. Werden es von Jahr zu Jahr mehr Blüten, dann spricht man von verwildern.

TulpenFoto: www.gaissmayer.de Tulpen tun sich schwer mit dem Verwildern. Ausnahme: Tulipa batalinii ‘Bright Gem’ – der Sichtungssieger. Die Wildtulpe gedeiht sowohl in Sonnen- wie auch in Schattenlagen.
Wann funktioniert das Verwildern gut und wann nicht?
Der Standort ist ganz wichtig, der richtige Lebensbereich, an dem sich die Zwiebeln wohl fühlen. Und dann liegt es noch an der Art oder Sorte. Die Züchtung der Zwiebeln ist fest in einigen wenigen Händen in den Nie­der­lan­den, und die Dauerhaftigkeit der Zwiebeln ist nicht das oberste Züch­tungs­ziel, was aus der Sicht der Züchter und Vermarkter ja auch durchaus verständlich ist.

Da werden wunderschöne Blüten zusammengekreuzt oder selektiert, doch vorwiegend wird nach Schönheit, nicht nach Langlebigkeit selektiert. Deshalb gibt es viele „Eintagsfliegen“, na ja, „Einjahrsfliegen“ sollte man wohl besser sagen.

Welche Standorte eignen sich im Hausgarten besonders gut?
Optimal zum Verwildern sind Dauerstaudenpflanzungen, beispielsweise mit Hosta und Astilben. Die treiben erst aus, wenn die Zwiebelpflanzen schon verblühen, ein schöner Szenenwechsel, der dann die unschöne Zeit der einziehenden Zwiebelpflanzenblätter dekorativ überbrückt. Aber natürlich gehen auch Wiesenflächen unter Obstbäumen und Gehölzrandbereiche. Wichtig ist, dass sich dort kein Wasser staut. Dann verfaulen fast alle Zwie­beln.

Zwiebelpflanzen genießen ja so ein wenig den Ruf, ohne Pflege auszukommen. Was sollte man tun und was nicht?
Nun ja, Bodenbearbeitung, das hatten wir schon, ist eher schädlich. Ansonsten brauchen Zwiebelpflanzen, besonders die, die sich ständig über die Neubildung von Zwiebeln regenerieren, richtig Futter – also Nährstoffe – , damit die Altzwiebeln nicht einfach immer nur kleiner und damit nicht mehr blühfähig werden. Das wird ganz oft unterschätzt.

Ich rate immer zu einer Kompostgabe im Herbst gleich nach der Pflanzung, damit die neu austreibenden Wurzeln sofort gut versorgt werden, und dann alljährlich wiederholend. Und nach der Blüte sollte noch einmal gedüngt werden, und zwar einmal stickstoffbetont, beispielsweise über Hornspäne, und zudem Kali, denn Kali beeinflusst sowohl die Blühfähigkeit als auch die Zwiebelbildung positiv.

Welche Sorten eignen sichdenn nun gut und welche weniger gut zum Verwildern?
Ganz viele Narzissen lassen sich gut verwildern, außerdem beispielsweise botanische Krokusse, Traubenhyazinthen, Schneeglöckchen und Ha­sen­glöck­chen – immer vorausgesetzt, der Standort stimmt.
Probleme gibt es vorwiegend bei den Tulpen. Tulpen sind Steppenpflanzen, sie brauchen trockene, warme Sommer. Insofern könnte dieser Sommer gut sein für die Tulpen, die in der Erde gelassen wurden. Tulpen an nassen Standorten bekommen Pilze, faulen einfach weg.

Prinzipiell wussten unsere Großeltern also, was sie taten, als sie die Tulpenzwiebeln nach dem Laubeinzug ausgruben und über den Sommer trocken und luftig lagerten, um sie dann im Herbst wieder einzupflanzen. Dazu würde ich auch heute raten, wenn man eine prächtige Tulpe hat, die man unbedingt behalten will.

Es gibt aber – das haben auch die Sortentests erbracht – einige Tulpen, die sehr gut und willig verwildern, vorwiegend allerdings an Sonnenstandorten. Die Wildtulpen, auch botanische Tulpen genannt, haben dabei die Nase vorn, allen voran die ‘Bright Gem’. Auch die Viridiflora-Sorten wie ‘Spring Green’ und ‘Hamilton’ überzeugen im Verwilderungsprozess.

Wann kauft man denn am besten Blumenzwiebeln?
Wichtig ist: Gehen Sie nicht zu früh los. Die Kunden werden ja heute vom Handel zu viel Blödsinn verführt, besonders im Pflanzenbereich. Viele Läden haben schon im Juli und August Blumenzwiebeln im Angebot. Das ist aber völliger Quatsch. Oft werden sie nicht gekauft und liegen nur unter un­güns­ti­gen klimatischen Bedingungen im Regal.

Das beeinflusst ihre Qualität, zumal jede Zwiebelart anders gelagert werden muss, Narzissen eher luftig und warm, Schachbrettblumen dagegen eher feucht. Fachgerechte Lagerung ist das A und O, damit man noch vitale Zwiebeln hat, wenn es soweit ist, sie setzen zu können. Leucojum vernum, der Märzenbecher, muss beispielsweise sofort in die Erde, sonst vertrocknet die Zwiebel.

KrokusseFoto: Breder Krokusse, soweit das Auge reicht. Wildkrokusse verwildern willig. Zudem fehlen oft gerade diesen „Angebotszwiebeln“ die rich­ti­gen Informationen, bei­spiels­wei­se dass sie erst ab Sep­tem­ber gepflanzt werden sollen, dann nämlich, wenn die Bo­den­tem­pe­ra­tur auf mindestens 12°C abgesunken ist. Erst dann können die meisten Blu­men­zwie­beln Wurzeln ausbilden, vorher verfaulen sie nur einfach. Die Kunden müssten also die Zwiebeln über Wochen lagern, und zwar richtig, der Art entsprechend.

Wie viele Blumenzwiebeln muss man denn setzen, damit eine größere Fläche in überschaubar langer Zeit voll erblüht, und wird man dabei arm?
Keineswegs, der Preis ist sogar ein ganz gutes Indiz dafür, ob Zwiebelblumen gut verwildern. Denn auch der Handel kann nur die Sorten günstig abgeben, die sich willig vermehren und in großer Stückzahl zur Verfügung stehen. Doch auch bei diesen Sorten sollte man darauf achten, dass man Zwiebeln der größten Sortierung bekommt, nicht die kleine, nicht blühfähige Ware.

Aber so eine normale Packungsgröße dieser eher günstigen Zwiebeln mit 10 bis 25 Stück kann durchaus reichen. Das liegt halt daran, wie viel Geduld man aufbringen will, bis sich ein deutlicher Verwilderungsprozess einstellen soll.

Mein Rat: mit einer überschaubaren Menge von ein bis zwei Arten anfangen, mit problemlosen, nicht zu teuren Sorten. Man kommt dann auf den Geschmack und lernt auch viel über die Ansprüche.

Vielleicht will man dann ja im nächsten Arbeitsanlauf noch Herbstkrokusse oder Herbstzeitlose setzen, die auch gut verwildern. Deren beste Pflanzzeit liegt allerdings – gemeinsam mit Kaiserkronen und Madonnenlilien – bereits im August und September. So ist eben Natur – keine Regel ohne Ausnahme.

Viridiflora-Tulpe ‘Spring Green’Foto: www.gaissmayer.de Nur mäßig vermehrungsfreudig, aber immerhin konstant über viele Jahre sowohl in Sonne wie auch im Schatten: die Viridiflora-Tulpe ‘Spring Green’
Und was sollten Gartenfreunde beim Pflanzen beachten?

Als Faustregel gilt ja: Die Zwiebeln sollen zweimal so hoch mit Erde überdeckt werden, wie ihr Durchmesser misst. Bei Neuanlagen ist das kein Problem. Boden entsprechend tief abtragen, ein Bett aus Gartenboden-Kom­post­ge­misch bereiten, die Zwiebeln in zufälliger Anordnung auslegen, vielleicht auch einfach hinwerfen, Zwiebelboden nach unten ausrichten, mit lockerer Gartenerde auffüllen.

Schwieriger wird es, unter alteingewachsenen Sträuchern und Bäumen in das durchwurzelte Erdreich Blumenzwiebeln einzugraben. Dafür kann dann ein Blumenzwiebelstecher sinnvoll sein. Manche nehmen auch die Bohrmaschine, um Pflanzlöcher freizubekommen.

Weitere Informationen wie Tabellen mit einer Auswahl gut verwildernder Blumenzwiebeln und Bezugsquellen finden Sie auf http://www.gartenfreunde.de/verwilderung.

 

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